Vorträge

Moderation: Manfred Dreier und Lucy Weidenbach

Das Inzesttabu - Eine Kurzbeschreibung des Phänomens und der wichtigsten Begriffe

N.N.

Verschiedene, insbesondere in der Psychologie angesiedelte, Menschen haben sich bereits mit dem Inzesttabu – also dem Tabu, Wirklichkeit in Beziehung wahrzunehmen –, dessen Herkunft, Auswirkungen und Weitergabe von Generation zu Generation befasst. In diesem Kurzvortrag soll das Inzesttabu als Phänomen zusammenfassend erläutert werden und ein Überblick gegeben werden über die Vielzahl von Begrifflichkeiten, die in der Beschäftigung damit entstanden sind und die für ein differenziertes Verständnis des Inzesttabus notwendigerweise verstanden werden müssen. Vielleicht können so gleich zu Beginn des Kongresses Missverständnisse bezüglich der Terminologie und des Anliegens in der Beschäftigung mit dem Inzesttabu ausgeräumt oder vermieden werden.

Tabuisierung als psychosozialer Kontrollmechanismus in und zwischen Menschen

N.N.

Tabuisierung ist ein allgemein in seiner Bedeutung unterschätztes psychosoziales Phänomen, das wesentlich dazu beiträgt, wie sich Menschen selbst und gegenseitig in Unwissenheit und Unfreiheit halten. Freiheit ist tabu, Wissen ist tabu, Liebe ist tabu. Tabu ist das, was nicht gedacht, gefühlt und getan werden darf, ohne dass es begründet werden müsste oder soll. Tabuisierung verkörpert das Gegenstück des Befehls: während jener bewusst in Strukturen der Macht regelt, was im Sinne der Macht getan werden soll, regelt das Tabu, was gelassen werden muss, um Macht- und Besitzstrukturen zu erhalten. Während Tabuisierung aus politisch-sozialer Sicht Ausdruck eines Herrschaftsverhältnisses ist, ist Tabuisierung aus philosophisch-spiritueller Sicht Ausdruck von Unaufgeklärtheit und Unwissen über die wahre Natur unseres Seins. Allgemeine Enttabuisierung ist die notwendige Voraussetzung für den „Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“ (Kant), der Ermöglichung von Liebe und echter spiritueller Erfahrung.

Der ehrbare Inzest – die unbekannte Verletzung

Manfred Dreier

Es steht ausser Frage, dass stattgefundener Inzest für Betroffene eine schwere Traumatisierung sein kann, mit teils lebenslangen Folgen. Wenig bekannt und erforscht ist der Umstand, dass auch die Zurückweisung der libidinösen Gefühle eines heranwachsende jungen Menschen durch die „ehrbaren“ Eltern tiefe Spuren mit weitreichenden Auswirkungen auf das spätere Beziehungsleben und überhaupt das Verhältnis zwischen Männern und Frauen haben kann.

Das Inzesttabu in der Echten Psychotherapie

Sebastian Weidenbach

Echte Psychotherapie zielt in der Tiefe auf eine Auflösung des Inzesttabus ab, deshalb beschreibt auch der Begriff Inzesttherapie zutreffend, was wir im Wesentlichen unter echter Psychotherapie verstehen. Echte Psychotherapie ist Inzesttherapie; sie macht sich die Auflösung des Inzesttabus, das den Kitt unserer gesamten menschlichen Konditionierung darstellt, zur Aufgabe und bereitet damit das Feld für die Geburt eines neuen Bewusstseins, das eine vollkommen neue Geschichte des einzelnen Menschen und der gesamten Menschheit auf die Welt bringen wird. Inzesttherapie führt über die Auflösung des Inzesttabus, was in aller Regel und insbesondere auch im Kontext der Psychotherapie ein Akt der Wahrnehmung und nicht der Handlung ist, zur Freiheit, unser innerstes persönliches und kollektives Schicksal zu verwirklichen und damit der Liebe, dieser alle und alles durchdringenden Kraft, zum Durchbruch zu verhelfen.
Der Vortrag soll die Thematik des Inzesttabus im Kontext der Echten Psychotherapie ausführen und die Mittel aufzeigen, die die Echte Psychotherapie zur Verwirklichung dieser Aufgabe einsetzt.

Die Auseinandersetzung mit dem Inzesttabu verhindert Missbrauch

Danièle Nicolet-Widmer

Mit dem Begriff "Inzesttabu" assoziieren die meisten Menschen Missbrauch.
Wir meinen damit aber gerade das Gegenteil! Missbrauch geschieht überall: in Psychotherapien, Familien, Kirchen, Sportvereinen, usw., gerade weil es ein Tabu ist, sich ehrlich und verantwortungsvoll mit den Fragen und Fakten um die Wirklichkeit von Beziehung auseinanderzusetzen.
Wir sind überzeugt, dass eine ehrliche, auf Selbsterkenntnis basierende Auseinandersetzung ohne Tabus, Missbrauch verhindert und Voraussetzung ist für echte, innige Beziehung.
Liebe, echte, tiefe Liebe, die Heilung bewirkt, gerade auch in der Psychotherapie, ist nur da möglich, wo keine Tabus die Wahrnehmung einschränken, sondern wo alles, sei es noch so beängstigend oder ungewohnt, sein darf.
Bei der Erkundung des Inzesttabus geht es vor allem um Wahrnehmung, und nicht um Handlung, auch wenn diese nicht ausgeschlossen werden darf, da, wo sie zu mehr Liebe, Lebendigkeit und Glück führt.
Die Liebe lässt sich nicht durch Verbote und Vorschriften regeln, sie basiert auf der völligen Freiheit, Wirklichkeit wahrzunehmen und kreativ im Leben umzusetzen, was zugegebenermassen ein sehr reifer Anspruch ist!
Liebe ist das einzige, was heilt und sie blüht nur jenseits von Angst, Tabus und Moral.
Die Auseinandersetzung mit dem Inzesttabu soll in keinerlei Weise Missbrauch legitimieren, aber sie soll helfen, die verhinderte Liebe unter uns Menschen zu befreien, so dass ein gemeinsames Leben und Wirken möglich wird, das uns ermöglicht, zu genesen und das Beste in uns zum Blühen zu bringen.

Gesetze, Standesregeln und die Gebote der Liebe

Manfred Dreier und Marianne Principi

Wir geben einen kurzen Überblick über Gesetze und Standesregeln, die aufgestellt worden sind, um Patienten vor Missbrauch zu schützen. Wenn eine Therapieform Tabus aufdecken und Gesetze und Richtlinien hinterfragen will, bedeutet dies nicht, dass dann Anarchie herrschen würde, sondern dem aufmerksamen Therapeuten wird sich eine neue ethische Richtschnur eröffnen, die wir die Gebote der Liebe nennen.

Epigenetik - Wie Wohlgefühl und Stress sich in der Genetik abbilden und sich dabei von Generation zu Generation potenzieren

Helena Gemmel

Die Epigenetik wurde in den letzten 15 Jahren intensiv beforscht und zeigt, wie Umweltfaktoren mit unseren Genen interagieren, indem das Ablesen bestimmter Genfrequenzen freigegeben oder blockiert wird. Dies steht sowohl in einem engen Zusammenhang mit Veränderungen der Hirnfunktionen als auch mit Bewusstseinserweiterung. Gesundheit und Wohlbefinden sind ein Prozess, der bei den Ururgrosseltern «beginnt» und bei den Enkeln nicht aufhört. Die Epigenetik gibt uns Einblicke in die enge Verzahnung unserer Lebensführung mit dem Innersten unserer 30 Billionen Zellen und zeigt, welchen Einfluss wir auf zukünftige persönliche und kollektive Entwicklungen nehmen können. Dabei hat die Psychotherapie, die Psycholyse und Meditation einen gleichwertigen Platz neben Ernährungsfaktoren und körperlicher Bewegung.

Das Inzesttabu in der Psychiatrie

Dieser Vortrag möchte verschiedene Aspekte des Inzesttabus, wie sie im Alltag einer psychiatrischen Akutstation auftreten, beleuchten.
Dabei gehe ich vom Inzesttabu als Ursprung von Wahrnehmungsbarrieren sowie tief gesellschaftlich verankerter Denk- und Verhaltensge- und -verbote aus.
Diese bilden sich auch im Mikrokosmos des Beziehungsgeflechtes auf einer psychiatrischen Akutstation ab.
Es gilt, sich dieser Dynamiken bewusst zu werden, sie in Frage stellen und ergründen zu dürfen.
Dies als wechselseitig sich befruchtender Prozess in der herausfordernden Aufgabe, schwerst psychisch erkrankten Menschen zurück ins Leben zu helfen, in dem es nicht um schnelle Lösungen und Antworten geht, sondern darum, miteinander und auf Augenhöhe herauszufinden, was es dafür eigentlich wirklich braucht.

Das Inzesttabu in der Evolution der Menschheit – Ursprung und Auswirkung des tiefsten Tabus

Kasia Weidenbach

Das Inzesttabu gilt als die universale, menschliche Institution.
Trotzdem ist die Geschichte der Menschheit voller Berichte und Mythen über Inzest.
Wann und warum ist, im Lauf der Menschheitsentwicklung, das Inzesttabu entstanden? Wozu dient es wirklich? Und wie wirkt es sich aus?
Wie geht insbesondere die Psychotherapie seit S. Freud mit dem Thema um?
Der Vortrag ist, aufgrund der vorhandenen und eigenen Forschungen, eine Annäherung an diese Fragen.

 

Erfahrungsberichte

Moderation: Andreas Braun

Heilung durch wahrhaftige Beziehung

Ulrike Füss

Wann findet Heilung statt, was sind die Vorrausetzungen? Wann wirkt eine therapeutische Beziehung heilend? Persönliche Erlebnisse, Beobachtungen und Erfahrungen beleuchten die Notwendigkeit einer wahrhaftigen Beziehung zwischen Therapeut und Klient aus Klientensicht.

Von der Angst sich selbst zu sein und der Befreiung zur Liebe

Andreas Braun

Viel zu lernen gibt es in einer polyamoren Liebesgeschichte - über die Angst und das Verlassensein, die Ohnmacht und die Einsamkeit - um immer wieder und durch alles hindurch die Wahrheit zu sehen, dass Du mein Schicksal bist, dass wir uns lieben und aufeinander angewiesen sind.
Dies einzugestehen und sich dem immer wieder ganz zu ergeben, das hat mich aufgemacht für Dich und für das Leben, für diese ganze schreckliche und schöne Welt.

Frei vom Inzesttabu

Joshuan Nicolet

Welche Auswirkungen hat das Inzesttabu auf unser Leben und wie würden unsere Beziehungen, unsere Familien und unsere Welt aussehen, wenn wir das Inzesttabu überwinden und integrieren würden und in Freiheit und Liebe miteinander leben?

Von der Glückseligkeit, jemanden gemeinsam lieben zu dürfen

Romina Mossi

Was ist das Geheimnis einer harmonischen, absolut konfliktfreien, erfüllten Liebesbeziehung zu vielt, in der Liebe, Glück, Einssein und Alleinsein miteinander verschmelzen?
Ein Versuch, dieses Geheimnis zu enthüllen, im Wissen darum, dass Liebe sich eigentlich nicht erklären lässt, weil sie selber ein Geheimnis ist.

 

Workshop

Das Inzesttabu in sich und in Beziehung erforschen

Weil das Kongressthema dieses Mal ein so grundlegendes und gleichzeitig so anspruchsvoll ist, haben wir uns entschieden, anstatt viele kleine Workshops, einen grossen Workshop für alle anzubieten. Mit Hilfe von Übungen und meditativer Anleitung werden wir uns diesem grossen Thema annähern, das Tabu in uns selbst in Beziehung aufspüren, entdecken und erforschen. Dabei wird es auch Raum geben für persönlichen Austausch und Fragen.

 

Film

Ich bin tabu. Ein Film über das Tabu, Wirklichkeit in Beziehung wahrzunehmen

Ein Film von Die Neue Geschichte. (Christoph und Carolin Bareiss, Rahel Nicolet-Wassermann)

Bin ich eine freie Wahrnehmung? Kann ich dir in jedem Moment unschuldig begegnen – egal in welchem Leben ich verpflichtet bin, egal welches Leben du führst?
Eines der grössten Tabus unter uns: Das Tabu, zu fühlen. Insbesondere dann, wenn es um Beziehung geht. Um mein Fühlen zu dir hin – unabhängig davon, welche Beziehungen du pflegst.
Unsere Geschichte ist geprägt von der Etablierung und Aufrechterhaltung von Tabus, die notdürftig regeln, was wir uns selbst nicht zutrauen: Einen stimmigen Umgang mit allen Begegnungs- und Beziehungssituationen, die uns in einem lebendigen Leben begegnen.
Ein schauspielerischer Auftakt des Filmes zeigt, wie sehr das Wahrnehmungstabu – das so genannte Inzesttabu – das Alltagsleben jedes Einzelnen von uns bestimmt. In der folgenden Dokumentation erzählen Menschen von ihren Auseinandersetzungen mit diesem Thema in ihren persönlichen Leben und Fachstimmen geben Inputs dazu, was wir schon alles geforscht haben im Bereich der Beziehungstabus.
Tabus als notdürftiger Ersatz für Wahrnehmung – die für uns derzeit noch notwendig und daher durchaus sinnvoll scheinen – sind eben doch nur notdürftig. Wie sähe unser Leben aus, wenn wir die Liebe zum obersten Gesetz machen würden – und nicht das Tabu?

 

Einrahmung

Das Inzesttabu in Märchen und Mythologie

Ilona Neumann

In vielen Märchen und Mythen und Geschichten spielt Inzest oder das Inzesttabu, offen oder versteckt, eine wichtige Rolle. Offenbar hat sich die Menschheit, seit es Sprache gibt, mit dem Thema auseinandergesetzt. Darin findet man schwierige und schöne, glückliche und unglückliche, ratlose, gewalttätige oder auch magische Geschichten.
Ilona Neumann ist Geschichtenerzählerin. Sie nimmt uns, zwischen den Vorträgen, mit in die Welt der Geschichten und der Mythologie und gibt uns so einen tieferen Einblick in das Thema und in unsere eigene Menschheitsgeschichte.

Ein Einblick in die sakralen Bewegungen von G.I. Gurdjieff

Romina Mossi

Tänze mit dem Publikum
Die „heiligen Tänze“ („Movements“) von Georges I. Gurdjieff sind, genauso wie Psycholyse, Tantra und Gemeinschaftsbildung in der „Echten Psychotherapie“, ein Hilfsmittel auf dem Weg der Selbsterkenntnis. Entwickelt von Gurdjieff als Hauptinstrument seiner spirituellen Lehre, entführen uns diese Tänze mit ihrem besonderen Zauber und ihrer Herausforderung in einen meditativen Raum der Achtsamkeit und Disziplin, der Wahrnehmung und des Fühlens, der Selbsterkenntnis und Stille.
Wir möchten zusammen ihre Schönheit erleben, mit dem Ziel, einen Raum der Einheit und der Liebe zu schaffen.

Vorführung „The Cross“ - Eine sakrale Bewegung von G.I. Gurdjieff

Romina Mossi und Gurdjieff Gruppe

Mit der Vorführung von „La Croix“ möchten wir dem Publikum einen Eindruck der Schönheit dieser Tänze geben und mit ihm in einem tiefen, stillen, grossen Raum ankommen.

Yoga zur Einstimmung

Dana Dreier

In diesen Yogastunden sensibilisieren wir unsere Wahrnehmung, öffnen unser Herz und unser Becken, um uns auf die Vorträge vorzubereiten. Denn um das Inzesttabu in seiner Tiefe und Tragweite wirklich zu erfassen, brauchen wir ein anderes Verstehen. Eines, das über den Intellekt hinausgeht. Eines, dass vielmehr durch Mitgefühl entsteht.

Konzert: Malia

maliaEine ganz besonders grosse Freude ist es uns, dass wir die Sängerin Malia für ein Auftreten auf unserem Kongress gewinnen konnten. Kaum eine andere Musik könnte unserem Kongressthema einen passenderen Ausdruck geben! "I hope my story creates an intimacy that invites you in and frees you. Freedom is being yourself" sagt Malia über die Musik auf ihrem Album «Ripples (Echoes of dreams)», das sie am Samstagabend mit Band präsentieren wird.